
Zwischen Schlagzeile und Backend
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Zwischen Schlagzeilen und Content-Management-Systemen, zwischen Echtzeit-Feedback und A/B-Testing: Der Alltag von Online-Journalist:innen hat sich in den vergangenen Jahren stark verändert. Technische Entwicklungen, Nutzererwartungen und ein wachsender Fokus auf Usability stellen neue Anforderungen an Redaktionen. Im Zentrum steht die Frage: Wie gelingt es, Inhalte so aufzubereiten, dass sie für die Leser:innen intuitiv zugänglich, verständlich und attraktiv sind – und gleichzeitig den redaktionellen wie auch wirtschaftlichen Anforderungen genügen? In Gesprächen mit Praktiker:innen aus Redaktion und UX-Design zeigt sich, wie eng inzwischen Technik und Journalismus zusammenspielen.
Redaktionelle Arbeit trifft Produktentwicklung
In vielen Redaktionen arbeiten crossfunktionale Teams zusammen. Stefan Kaltenbrunner, Journalist und ehemaliger Digitalchef, beschreibt eine typische Konstellation: Neben Chefredakteur:innen und Redakteur:innen sind heute zwei bis drei Produktmanager:innen, Techniker:innen, zwei bis drei Interface-Designer:innen sowie SEO-Expert:innen und mittlerweile auch Verantwortliche für die Abo-Modelle im Team vertreten. Dabei sei es die Aufgabe der Technik, den Journalist:innen ein System bereitzustellen, das sich im Alltag einfach nutzen lässt: „Die Technik tut nichts anderes, als dem oder der Journalist:in ein Paket hinzustellen, an dem man sich bedienen kann.“
Auch bei derStandard.at ist die Organisation ähnlich aufgestellt. Armin Neuhauser, Senior UX Designer, spricht von rund 20 Personen, die an der Produktentwicklung und technischen Umsetzung arbeiten. Neue Features werden hier in einem sogenannten „Produkttrio“ – bestehend aus UX-Designer:in, Produktmanager:in und Entwickler:in – abgestimmt und entschieden. Die enge Verzahnung zwischen Redaktion und Produktentwicklung sei entscheidend, um die Plattform nutzerfreundlich und technisch aktuell zu halten.
Ein zentrales Thema im Alltag der Teams ist die Gestaltung für mobile Nutzung. Bei derStandard.at kommen inzwischen rund 70 Prozent des Traffics von Smartphones, berichtet Neuhauser. Daher würden Inhalte heute „agnostisch“ aufbereitet – also so, dass sie auf unterschiedlichen Endgeräten gut funktionieren. Mobile Optimierung steht im Vordergrund: „Design ist der Fokus mobil“, so Neuhauser.
Usability für zwei Zielgruppen

Eine aktuelle Erhebung des Digital News Report 2025 zeigt deutlich, dass das Smartphone inzwischen das meistgenutzte Gerät für den Zugriff auf Nachrichten ist: 71,3 Prozent der Befragten gaben an, in der Vorwoche Nachrichten über ihr Smartphone gelesen zu haben. Erst mit deutlichem Abstand folgen Laptop oder Desktop-Computer (58,7 Prozent) sowie Tablets (35,6 Prozent). Diese Zahlen unterstreichen den anhaltenden Trend zur mobilen Nutzung und verdeutlichen, warum ein „Mobile First“-Ansatz bei der Gestaltung von Nachrichtenwebsites heute als Standard gilt.
Usability spielt dabei eine doppelte Rolle: Sie betrifft nicht nur die Leser:innen, sondern auch die internen Arbeitsabläufe. Denn Usability, auf Deutsch Benutzerfreundlichkeit, beschreibt, wie leicht und effizient ein Produkt zu bedienen ist. Im Journalismus müssen Inhalte so gestaltet werden, dass sie leicht zu finden, einfach zu verstehen und gern gelesen werden, egal auf welchem Gerät. Neuhauser betont, dass er sich im Alltag um die Bedürfnisse einer doppelten Nutzergruppe kümmert: Um die externen User:innen, aber ebenso die Redakteur:innen, die mit dem System arbeiten. Damit Usability auch im redaktionellen Workflow gelingt, müsse das CMS stabil, schnell und flexibel sein. Der Blick auf die Inhalte selbst zeigt: Texte bleiben das bevorzugte Format. „Von den Usern hören wir, dass sie Texte lesen wollen – nicht hören“, sagt Neuhauser. Auch Kaltenbrunner bestätigt: Videos hätten sich im Verhältnis zum Produktionsaufwand kaum gelohnt. Stattdessen gehe es darum, journalistische Inhalte so darzustellen, dass sie schnell erfassbar und gut lesbar seien. Gleichzeitig wird die Rolle von Social Media als Konkurrenzfeld zunehmend spürbar, wie Kaltenbrunner anmerkt. Hier zeigt sich einmal mehr, wie sehr sich journalistischer Alltag heute an veränderte Nutzungsmuster und Erwartungen anpassen muss.


